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Dialog am Ankerplatz:Willibert Pauels: Über das Verhältnis von Kirche und Karneval

An diesem Tag konnten wir den "Bergischen Jung", Willibert Pauels im Ankerplatz begrüßen. Hierüber ein kleiner Bericht von Christian Dick
Datum:
25. Jan. 2023
Willibert Pauels

"Humor ist eine Erscheinungsform der Religion, nur, wer über den Dingen steht, kann sie belä-cheln" - dieses Zitat der Figur des „Pater Brown“ von G. K. Chesterton, die mit Heinz Rühmann als Hauptdarsteller verfilmt wurde, hat sich auch der wohl bekannteste katholische Diakon Deutschlands, der sich als „Ne Bergische Jung“ als Büttenredner weit über Köln hinaus einen Namen gemacht hat, auf die Fahnen geschrieben.

Die Rede ist von Willibert Pauels.

Dieser wurde jetzt in Langenfeld in der Reihe „Talk am Ankerplatz“ interviewt. Sehr interessant ist, dass die Stadt Neuss in seinem Leben eine besondere Bedeutung hat. „Gibt’s noch was zu lachen – Kirche, Krise, Karneval“ lautete das Thema des Abends, das einen sehr weiten Spannungsbogen bot. Das Interview führten Gerhard Krebs und das Vorstandsmitglied des Pfarrgemeinderates der Pfarrei St. Josef und Martin, Daniel Klaas. Gerhard Krebs ist eineinhalb Jahre jünger als Willibert Pauels und kommt wie dieser ursprünglich auch als Wipperfürth. Die Wege der beiden Männer haben sich immer wieder gekreuzt. Willibert Pauels war eineinhalb Jahre vor Gerhard Krebs in der Pfarrjugend und als Messdiener in Wipperfürth aktiv. Eineinhalb Jahre vor Gerhard Krebs war Willibert Pauels Priesteramtskandidat im Bonner Collegium Albertinum. Gerhard Krebs fand dann eine Anstellung im Generalvikariat in Köln. Willibert Pauels wurde ständiger Diakon. Die Wege der beiden kreuzten sich immer wieder.

Die erste Berührung mit Neuss hatte Willibert Pauels Anfang der 1990er Jahre als er im damaligen Collegium Marianum zum Vertreter des Direktors angestellt wurde und parallel dazu die Ausbildung zum Diakon absolvierte. 1996 wurde er durch den damaligen Kölner Weihbischof und Altbischof von Würzburg Friedhelm Hofmann zum Diakon geweiht. Zum Kölner Karneval kam Willibert Pauels sozusagen wie die Jungfrau zum Kind. Er konnte seiner-zeit überhaupt kein Kölsch sprechen. Dann wurde er zu einer der Sendungen des Vaters aller Talkshows im deutschen Fernsehen, Hans Meiser, von RTL eingeladen. Dies war einer seiner ersten Fernsehauftritte. Das Thema der Sendung lautete „Stimmungskanonen“. In der Redaktion der Sendung war Karin Schmitz, die Tochter der mittlerweile verstorbenen Vorsitzenden der kfd aus Wipperfeld Dann sagte Karin Schmitz zu Willibert Pauels „Du musst in de Fastelovend. Du musst nach Köln.“ Dadurch wurde sein Weg geöffnet, als Büttenredner entdeckt zu werden und damit Geld zu verdienen.

Die Menschen als Humorist in gute Laune zu versetzen, und das vor den unterschiedlichsten Publikumszusammensetzungen, das ist jedoch gar nicht so einfach, wie sich das der Beobachter von außen vorstellen mag. Willibert Pauels beschreibt, wie da immer die Angst mitschwang, „die hören dir nicht mehr zu bei tausenden Menschen“. Er hatte nur einen schlechten Auftritt im Kopf, obwohl 100 Auftritte gut waren. Schließlich nahm er immer mehr Termine im Karneval an und war hauptberuflich Büttenredner. Und mit der Zeit nahm das Ganze überhand. Die Auftritte in der Bütt wurden mehr und mehr. Wegen Depressionen musste er schließlich die Reißleine ziehen. Er telefonierte mit seinem guten Freund, dem Psychiater und Theologen Dr. Manfred Lütz, dem früheren Leiter der Psychiatrie bei den Alexianern in Köln-Porz, beziehungsreicherweise an der Autobahnabfahrt Köln-Wahn (sic!) gelegen. Dieser nannte ihm verschiedene Kli-niken. Und so kam ein weiteres Mal im Leben von Willibert Pauels Neuss ins Spiel. Er entschied für die Psychiatrie in Neuss, das St. Alexius/St. Josef Krankenhaus in Neuss. Das war im Jahre 2013. Später ging Willibert Pauels mit seiner Erkrankung an die Öffentlichkeit und warb damit für einen Tabubruch in Bezug auf Depressionen. Er veröffentlichte im Gütersloher Verlag das Buch „Wenn dir das Lachen vergeht: Wie ich meine Depression überwunden habe“. Die Psychiatrie, so schilderte Willibert Pauels in Langenfeld, stehe für die medi-kamentöse Behandlung. Zu dieser käme dann die Psychotherapie in Form von Gesprächen mit sehr guten Therapeuten hinzu. Das Alexianer Krankenhaus in Neuss hat Willibert Pauels sehr gut geholfen. Chefarzt Dr. Martin Köhne schärfte ihm ein, dass das mit den 300 Auftritten pro Karnevalssession nicht mehr gehe. Im Erstgespräch sagte Köhne zu Willibert Pauels „Machen Sie sich keine Sorgen, wir kriegen das schon hin.“

Karneval war laut Willibert Pauels der Auslöser, aber nicht die Ursache seiner Depression. Er sieht das Alexianer Krankenhaus in Neuss, das auf Depressionen spezialisiert ist, als eine der besten Kliniken Deutschlands an. Humor und Kirche haben nach Ansicht von Willibert Pauels eines gemeinsam. Beide spenden Trost. „Die österliche Perspektive ist es, die befreit. Die Menschen sind dann froh“, führte er in Langenfeld aus.

Er nahm im Folgenden gedanklich die Position eines Atheisten ein. Für den Atheisten sei der Mensch lediglich ein Zellhaufen und auch die Liebe letztlich nichts anderes als ein biochemischer Prozess, ein Trick zur Erhaltung der Art. „Diese Position kann aber selbst der eingefleischteste Atheist nicht aufrechterhalten, wenn er seinem Kind in die Augen schaut.“
Der Schluss der Büttenrede ist Pauels zufolge immer auch eine Verkündigung. Humor und gesunde Religiosität seien Bruder und Schwester. Es gebe innerlich eine Sehnsucht in den Menschen nach Mehr, macht Willibert Pauels deutlich. Denn der Mensch habe immer die Sehnsucht danach, dass da unendlich viel mehr sein muss als nur Biologie und Zellhaufen. Aber ist das plausibel, dass da mehr ist? Willibert Pauls antwortet auf diese Frage mit einem Satz von Eugen Drewermann: „Der plausibelste Grund zu glauben, dass es Wasser gibt, ist
der Durst.“ Dieser Durst sei in uns allen und diese unstillbare Sehnsucht, dass da mehr sein möge, als nur ein Zellhaufen, drücke sich auch im Humor aus.

Die Depression beschreibt Willibert Pauels als „schwarzen Hund“. Allerdings gehöre diese zu den am besten behandelbaren Krankheiten, weshalb es wichtig sei, darüber zu sprechen. Depression, so macht er weiterhin klar, ist eine Veranlagung. „Es ist mit einem depressiven Menschen wie mit einem Instrument, das gut gestimmt sein muss, damit es gut spielt. Auf einem Instrument, das nicht gestimmt ist, kann man nicht spielen. Dann muss man lernen durch seine Gedanken das Instrument gut zu spielen“, so Willibert Pauels. Für ihn habe das vor dem Hintergrund der 300 Auftritte pro Karnevalssession geheißen „Raus aus dem Dauerdruck“. Er habe eine Rückzugsort gebraucht und so gelernt, seinen Tag zu strukturieren.

Zum Schluss führte er noch einiges aus seinem Programm auf den Karnevalsbühnen vor, wozu er als Subsidiar (Diakon im Ruhestand) nun wieder mehr Zeit hat. Er machte sich darüber lustig, dass es eine Political Correctness gebe, die fordere, dass man nicht einmal mehr das Wort „Indianer“ sagen dürfe. So hätten Florian Silbereisen und Beatrice Egli in der Abschieds-Show für Jürgen Drews das Lied „1000 und 1 Nacht“ gesungen und das Wort „Indianer“ weggelassen und dann „wir haben zusammen gespielt“ gesungen. Somit hätten sie das
Lied zensiert. Ein Witz von Tünnes und Schäl darf natürlich auch nicht fehlen. Die beiden sind nach einer durchzechten Nacht und einer Abkürzung über Melaten auf einer Friedhofsbank eingeschlafen. Als sie wach werden, fragt Schäl, was los ist und Tünnes antwortet: „Auferstehung, wir zwei sind die ersten.“ Witze würden halt oft mehr über Ostern erzählen als zehn theologische Vorträge, so
Pauels.

Zu Kirchenkrise

Im Jahre 2021 wurde Willibert Pauels nach einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeigen in den Mund gelegt, er habe gesagt, Kardinal Woelki solle zurücktreten. Willibert Pauels will das so verstanden wissen, dass er meint, dass Kardinal Woelki aus Liebe zur Kirche einen Neuanfang im Erzbistum Köln ermöglichen solle, was laut Pauels aber kein Schuldeingeständnis sein sollte. So sei Kardinal
Woelki sehr gut, wenn es um soziale Dinge gehe und habe die Aktion mit einem Flüchtlingsboot auf der Kölner Domplatte sehr gut gemacht. Pauels könnte sich daher Kardinal Woelki gut in Rom als mit sozialen Angelegenheiten betrauten Kardinal
vorstellen. Willibert Pauels erklärte, dass Kardinal Woelki so viel Prügel bekäme, dass er nicht verstehe, wie jemand das noch aushalten könne. Anzumerken ist hierzu, dass Kardinal Woelki am Aschermittwoch 2022 Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten hat, worauf der Papst aber bis dato nicht reagiert hat.
Willibert Pauels findet es schade, dass viele Engagierte und Treue die katholische Kirche verlassen.

Nun erscheint im Herder Verlag Willibert Pauels viertes Buch. Es heißt "Guter Draht nach oben".
Mit 52 spannenden Impulsen – mal ernst, mal humorvoll.
Verlag Herder, 1. Auflage 2023, Gebunden, 192 Seiten
ISBN: 978-3-451-03475-6; 20,00 € Gebundene Ausgabe