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Predigt vor Kommunionkindern zur eigenen Goldkommunion von Christian Müller

Datum:
22. Mai 2021
Von:
Christian Müller
Christian Müller

Kurz vor Ostern kam Gerhard Trimborn zu mir in die Apotheke und meinte, es wäre schön, wenn einer der Jubelkommunikanten am Himmelfahrtstag erzählen uns sich erinnern könnte, wie eine Erstkommunion vor 50 Jahren abgelaufen ist, denn in 50 Jahren ändert sich ja doch einiges! Ich habe ihm gesagt, ich mache das, und so habe ich in den letzten Wochen viel nachgedacht, zurückgedacht und mich erinnert.

Ich selbst und viele andere Mitschüler gingen damals in die dritte Klasse der Volksschule Richrath (heute Martinus Schule), einige auch erst in die zweite Klasse. Unsere Erstkommunion fand am 5. April statt, und 2 Tage später begann das neue Schuljahr, denn der Schuljahreswechsel war damals immer im April mit dem Ende der Osterferien.

Begonnen hatte natürlich alles mit dem Kommunionsunterricht, damals war die Schule spätestens um 13 Uhr beendet und um 15 oder 16 Uhr, ich weiß es nicht mehr genau, hatten wir dann Kommunionunterricht zusätzlich zu der einen Stunde Religionsunterricht in der Woche, eine Gruppe bei Kaplan Heinrich Scholl, die andere Gruppe bei Pfarrer Wilhelm Becker. Kaplan Scholl wohnte damals noch in der alten Kaplanei, das ist das schindelgedeckte Haus am Durchgang zum Krankenhaus, und Pfarrer Becker im Pastorat neben dem Kindergarten, mit seiner Haushälterin, Frau Woywode. Beide waren eigentlich immer mit dem Fahrrad unterwegs, auch wenn die Wege kurz waren, bei Pfarrer Becker auch verständlich, denn er hatte eine Beinprothese und so viel ihm das Laufen schwer! Dann sind wir kurz vor dem Kommunionunterricht mit 2 oder 3 Jungen zum Pastorat und haben Pastor Becker abgeholt, wir durften ihn dann auf dem Fahrrad sitzend bis zur Schule schieben und erhielten zur Belohnung einen leckeren Apfel aus seinem Garten, der damals noch bis zum heutigen Wendehammer des Carl-Sonnenschein-Weges reichte. Im Unterricht war es sicher nicht großartig anders als heute mit den Katecheten, die Geschichte von Jesus mit seinen Jüngern beim letzten Abendmahl wurde uns erzählt und erklärt und vieles andere auch, was uns heute selbstverständlich ist. Gleichzeitig war es auch Beichtunterricht, in dem wir die 10 Gebote gelernt haben und alles was dazugehört; die erste Beichte stand uns ja einen Tag vor der Kommunion auch bevor.

Damals war es noch so, dass man zur Erstkommunion nicht automatisch ein neues Kleid oder einen neuen Anzug bekam, das war das Privileg der ältesten in der Familie, ging später der Bruder oder die Schwester mit zur Kommunion, dann wurde das Kleid oder der Anzug verlängert oder gekürzt oder erweitert, damit das Geschwisterkind auch etwas Passendes hatte, aber mehrere Kleider oder Anzüge, neu gekauft, konnte sich 1964 noch kaum jemand leisten. Bei uns Jungs hatten zum damaligen Zeitpunkt schon einige lange Hosen, aber viele auch noch kurze Hosen, ich natürlich auch, egal welches Wetter gerade war, es gab ja auch Erstkommunionen mit Schneeschauern! Zu den kurzen Hosen trug ich handgestrickte Kniestrümpfe und ein weißes Hemd. Die Mädchen hatten alle ein weißes Kleid mit weißen Schuhen und entweder Strumpfhosen oder auch Kniestrümpfe, ein kleines weißes Täschchen und einige ein Haarkranz. Einige der Mädchen waren freitags vor dem Festtag sogar beim Frisör, bzw. glaube ich, dass eher die Mütter ihnen die Haare geschnitten hatten. Aber zuvor kam ja noch der Samstag nach Ostern, der Tag vor dem Weißen Sonntag, der letzte Vorbereitungstag. Nach der Schule ( ja damals hatten wir samstags noch Unterricht) und dem Mittagessen musste die Straße gefegt und der nicht geteerte Teil, der vor dem Garten des Hauses war, wo heute meist der Bürgersteig vorbeigeht, „gehärkelt“ werden, das heißt mit einem Rechen mussten größere Steine und Unrat entfernt werden und anschließend wurde ein schönes paralleles Muster in den Sand gehärkelt. Und samstags war ja auch grundsätzlich Badetag in den Familien, einmal in der Woche wurde gebadet, und das war samstags, bei uns zu Hause schon in einer Emaille Wanne im Badezimmer, bei anderen noch in einer Zinkwanne im Garten, das war damals durchaus noch gang und gäbe, wie auch bei meiner Frau zu Hause. Und nach dem Baden, äußerlich rein war man ja jetzt schon, ging es zur Kirche zur ersten Beichte, um dann auch innerlich rein zu werden und bereit zu sein für die erste Kommunion. Aufregend war das! Und ich erinnere mich, bei Pastor Becker gab es bei der Beichte als Sühne immer: bete mal 3 Vater unser und 3 Gegrüßet seist du Maria. Alles war bereit, und auch Mama und Papa waren aufgeregt, denn es war auch damals schon ein großes Fest. Damals wie heute hat man manchmal das Gefühl, es werden kleine Bräute und Bräutigams geschaffen, das hat sich noch nicht geändert!

Wir hatten damals, 1964, noch nicht dieses Kirchenschiff, in dem wir heute stehen, sondern noch das alte Schiff mit der Ausrichtung in Südliche Richtung, so dass wir auch durch den Turmeingang an der Wolfhagener Straße, der heute nicht mehr vorhanden ist, in die Kirche einzogen, fein getrennt, erst die Mädchen, dann die Jungen. Alle hatten wir unsere Taufkerze in der Hand, die mit einem Spitzentuch abgedeckt war, falls mal etwas Wachs tropfen sollte. Der Kirchenchor war da und sang oben von der Orgel herab, Kinder- oder Jugendchor gab es damals auch noch nicht,  und die Kirche war proppenvoll! Schließlich ging man damals nur am Weißen Sonntag zur Erstkommunion, und nicht an mehreren Terminen wie inzwischen seit vielen Jahren. Und dann das Gelöbnis: ich widersage, ich glaube, ich glaube! Ein Geheimnis lag in der Luft, das Himmelsbrot im goldenen Kelch! Der Große Augenblick war nahe! Dann wurden wir von den „Führengelchen“ (Redaktionshinweis: „Führengelchen“ waren meist Kommunionkinder aus dem letzten Jahr, die diese ehrenvolle Aufgabe erfüllten) nach vorne an die Kommunionbank gebracht und mir wurde zum ersten Mal die Hostie feierlich auf die Zunge gelegt; die Augen verschloss man dabei, der Pfarrer sagte: „der Leib Christi“ und nach dem Amen und dem Erhalt der Hostie war man Mitglied der großen Gemeinschaft! Die Hostie schien fast zu zergehen auf der Zunge, bevor man wieder zurückbegleitet war zur Kirchenbank, wo ich die Hostie andächtig schluckte. Und dann zum Ende der Messe der Kirchenchor und die gesamte Gemeinde: „Großer Gott wir loben Dich“, in dem Engelbert Persée Arrangement, vierstimmig; heute würde man sagen: „Gänsehautfeeling“!

Vor der Kirche nehmen einen dann die Eltern und Familie wieder in Empfang, und es ging nach Hause zum Frühstück, schließlich war die Messe morgens um 8 Uhr, und seit Samstag Abend hatte man nichts mehr gegessen, es galt ja noch das Nüchternheitsgebot! Im Laufe des Vor- und Nachmittag kamen dann Nachbarskinder und Nachbarn und lieferten kleine Geschenke ab, bei mir war es in der Regel eine Tafel Schokolade (Schogetten oder Novesia Goldnuss) oder Pralinen von Trumpf. Von der Nachbarfamilie Steinkrüger erhielt ich einen 5 D-Mark Schein, mein einziges Geldgeschenk damals, und was war ich stolz! Die Geschenke von der Familie waren die erste Armbanduhr, ein Gebetbuch sowie ein Band Karl May. Gegessen wurde mittags im ausgeräumten Wohnzimmer mit der Familie, ich glaube, es gab irgendeinen Festtagsbraten, von einer Kochfrau zubereitet, mit Erbsen und Möhren sowie ein paar Spargelstücken, dem sogenannten „Leipziger Allerlei“. Und zum Nachtisch gab es eine Zitronencreme, denn das war damals als Kind mein Lieblingsnachtisch! Auswärts feiern gehen war damals einfach noch nicht drin, das Geld dafür war einfach nicht vorhanden! Und es war einfach Sitte, dass man zu Hause feierte. Nachmittags um 15 Uhr zur Dankandacht konnte man an vielen Handgelenken die ersten Armbanduhren sehen, und das stolze zeigen an die Banknachbarn! Dann gab es zu Hause Kaffeetrinken mit dem traditionellen Frankfurter Kranz, und abends, wenn wir Kinder im Bett waren, durfte nach der Empfehlung des Pastors für die Erwachsenen auch das erste Mal an diesem Tag Alkohol auf den Tisch.

Am Montag war dann wieder Gottesdienst in den Kommunionsanzügen und Kleidern, und nachmittags kamen dann die Nachbarn zum Kaffee. Und am nächsten Tag ging es wieder in die Schule, man war im 4. bzw. 3. Schuljahr angekommen. Und selbstverständlich wurden die meisten Jungen in den nächsten Monaten Messdiener, und man schloss sich einer Jugendgruppe an, bei uns war es die Jungschar, Gruppe St. Michael, aus der später die Nashörner entstanden sind, die sich heute immer noch wöchentlich treffen, inzwischen schon 50 Jahre!

Ja, so war es vor 50 Jahren aus der Erinnerung heraus, und ich muss gestehen, es gibt kein einziges Bild von mir als Kommunionskind, obwohl ich der Älteste war, von meinen 3 Geschwistern gibt es so etwas! Bis die diesjährigen Kommunionskinder 2064 ihre Goldkommunion feiern, werden wie wir Alten dieses Jahr, wird sich bestimmt auch wieder viel geändert haben; vielleicht steht dann einer von euch hier vorne und erzählt, wie es 50 Jahre früher war, bleiben wird sicherlich, dass es das erste Sakrament ist, was man bewusst empfängt und dass es ein aufregender Tag ist!