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Erinnerungen an meine 1. Hl. Kommunion am 24.4.1960

Datum:
12. Mai 2021
Von:
Marlies Adams
Marlies Adams

Ja, liebe Mädchen und Jungen, liebe Jugendliche, liebe Erwachsene. Wie war das vor 50 Jahren, als wir am 24.4.1960 zur 1. Hl. Kommunion gingen? Zunächst einmal sah es in Richrath ganz anders aus als heute, auch hier rund um den Kirchturm. Die Kirche, in der wir heute feiern, die gab es damals noch gar nicht. Vielleicht haben einige von euch auf alten Fotos schon einmal die alte St. Martinus-Kirche gesehen, die man durch den Turm, der ja noch steht, betrat und die parallel zur Kaiser-Str. stand. Da, wo sich jetzt die Pfarrbücherei und der Pfarrsaal befinden, stand ein langgestrecktes rotes Backsteingebäude, „Kasten“ genannt. In ihm wohnten u.a. der Organist und der Küster und unser Klassenlehrer Bruno Tocha mit seiner Familie. In dem Haus befand sich schon damals die Pfarrbücherei, und es gab auch einen Pfarrsaal. Vor dem Haus, quasi neben der Kirche, hatten die Familien aus dem „Kasten“ ihre Gärten. Der Pastor, es war damals der Pfarrer König, wohnte in dem Haus neben dem Kindergarten, in dem heute der Dachdecker Wadenpohl lebt. Und der Kaplan wohnte in der inzwischen wieder schmucken Villa auf der Wolfhagener Str. neben dem Krankenhaus. Das Krankenhaus gab es schon, aber es war damals viel kleiner als heute. Ja, und unsere Volksschule stand an der Stelle, wo heute die Sparkasse ist. Unser Schulhof und auch der Platz vor der Schule waren nicht befestigt. Wenn's regnete, gab's ziemlich viele Pfützen, und wenn es trocken war, malten wir unsere Hüpfekästchen oder sonstige Spielmarkierungen einfach mit einem Stöckchen in den Sand, ganz ohne Straßenmalkreide, wie ihr sie heute braucht.

Was ihr noch wissen müsst, damit ihr die Dinge verstehen könnt, die ich euch gleich von unserer Erstkommunion erzählen möchte, ist, das Papst Johannes XXIII. 1962 ein Konzil einberufen hat. Die Bischöfe und Kardinäle aus der ganzen Welt trafen sich in Rom und überlegten und erarbeiteten 3 Jahre lang, was sich in der Katholischen Kirche ändern müsse. Und das war eine Menge. Ganz viele Dinge, die für euch und inzwischen auch für uns alle selbstverständlich sind, wurden da beschlossen. Aber 1960, als wir zur Erstkommunion gingen, dachte natürlich noch kein Mensch daran, dass nur 5 Jahre später so vieles anders sein würde.

Wir waren damals etwa 50 Kinder in der Klasse, also etwa doppelt so viel, wie ihr es heute erlebt. Natürlich gingen wir alle gemeinsam zur 1. Hl. Kommunion. Vor dem Konzil war es die Aufgabe der Priester und Lehrer, die Kinder auf die Erstkommunion vorzubereiten. Also fand die Vorbereitung in der Schule während des Religionsunterrichtes statt. Es gab damals den Katechismusunterricht, den erteilte der Pastor oder der Kaplan, und ein Fach, das hieß „Biblische Geschichte“. Das unterrichtete unser Lehrer, Herr Tocha, und hier lernten wir viele schaurige und spannende Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament kennen, genau wie ihr das heute im Religionsunterricht auch noch tut. Für den Kommunionunterricht hatten wir ganz einfache Arbeitsblätter, in denen wir etwas über die Eucharistie erfuhren und die wir bearbeiten mussten. Die „harte Phase“ der Kommunionvorbereitung begann mit Karneval. Ich kann mich erinnern, dass wir uns als zukünftige Kommunionkinder Karneval nicht verkleiden sollten. Für mich war das ganz schlimm, und ich habe mächtig herum geschimpft und gezetert, das habe sich bestimmt nicht Jesus sondern der Pastor ausgedacht, und wenn ich mich nicht verkleiden dürfe, dann wolle ich gar nicht mit zur Erstkommunion gehen. Meine Oma war entsetzt, aber meine Mutter hat mir am Karnevalssonntag dann doch als Kompromiss die alte Haube von meinem Holländerinnenkostüm aufgesetzt und mich ein wenig angemalt. Aber zum Rosenmontagszug nach Köln – in Langenfeld gab's den damals übrigens noch nicht – fuhren wir diesmal nicht.

Klar, dass wir neben der Kindermesse am Sonntag - die war um 9.00 Uhr – und sowieso Pflicht, als Kommunionkind auch die Christenlehre um 12.00 Uhr besuchen mussten. Und während der Fastenzeit natürlich die Kreuzwegandachten unter der Woche. Jetzt glaubt ihr vielleicht, dass das schreckliche Pflichten waren. War es aber nicht, im Gegenteil, denn, und das war bei uns damals nicht anders wie bei euch heute: wenn so viele Kinder zusammen waren, wurde auch ganz schnell irgend ein Blödsinn auf dem Weg zur Kirche ausgeheckt, z.B. „Klingelmännchen“ oder ähnliches. 

Zwei Wochen vor  Ostern begannen die Osterferien. Sie dauerten damals 3 Wochen, denn nach den Osterferien begann damals das neue Schuljahr. Während der Osterferien sollten wir Kommunionkinder möglichst jeden Morgen die Messe besuchen, und ich denke einmal, dass wir zumindest in der Woche nach Ostern auch noch zum Üben für den Weißen Sonntag zur Kirche mussten. Das kennt ihr ja auch. Ganz genau weiß ich aber, dass wir am Samstag vor dem Weißen Sonntag noch einmal beichten gingen. Als ich vom Beichten nach Hause kam, gab mir meine Oma ein Buch und schickte mich raus auf die „Rentnerbank“ - hier saßen immer einige alte Männer. „Lies,“, sagte die Oma, „damit du keine Sünde mehr tust!“ Oh Gott, dabei wäre ich doch viel lieber in der Wohnung gewesen und hätte bei den Vorbereitungen zu meinem Fest zugeschaut. Aber vermutlich hätte ich nur im Wege herum gestanden, denn unsere Wohnung war sehr klein. Das Wohnzimmer musste ausgeräumt werden, damit alle Gäste Platz fanden. Nachbarn liehen uns Tische und Stühle und halfen bei den Vorbereitungen kräftig mit, kochten, backten, lagerten in ihren Wohnungen Lebensmittel und deponierten unsere ausgeräumten Möbel. Und am nächsten Tag, dem Kommuniontag, halfen sie wieder genauso selbstverständlich, kochten Kaffee, trugen das Essen auf, spülten. Irgendwann am Ende des Samstags wurde ich in die Badewanne gesteckt, damit ich nach dem Beichten am Morgen nicht nur von innen sondern auch von außen rein war. Und dann tunkte meine Mutter das untere Ende meiner Zöpfe in Zuckerwasser und drehte es auf einen Lockenwickler. Der musste über Nacht drin bleiben, und am Morgen hatte ich am Ende meiner Zöpfe keine Fransen, wie sonst immer, sondern eine schöne Schillerlocke.

Ja, der Weiße Sonntag. Die Messe war, so glaube ich, um 9.00 Uhr. Wir mussten also früh aufstehen, um fertig zu werden. Nun durfte ich mein Kommunionkleid anziehen, das meine Mutter mir genäht hatte. Viele Mädchen hatten damals selbstgeschneiderte Kleider, die später eingefärbt und als Sonntagskleider noch lange getragen wurden. Unter dem Kleid hatte ich ein neues „Garnitürchen“ an, so hieß die Unterwäsche der Mädchen damals. Übrigens bekamen einige von uns solche „Garnitürchen“ auch als Kommuniongeschenk. In meine Zöpfe kamen weiße Taftschleifen, die ordentlich festgeknotet wurden, damit sie nicht rutschten. Auf den Kopf kam ein Kränzchen aus Kunstblumen. Und dann legte mir meine Mutter ihr Hochzeitskreuz um den Hals, dass alle meine Schwestern und auch meine Nichte an ihrem Erstkommuniontag getragen haben. Am Handgelenk baumelte ein weißes Beutelchen, in dem sich das Taschentuch befand. Manche Mädchen hatten weiße Spitzenhandschuhe an. Die Beine steckten in weißen Strumpfhosen und  an den Füßen hatten wir schwarze Lackschuhe. Frühstücken durften wir vor der Messe nicht, denn damals galt noch das Nüchternheitsgebot, das besagte, dass man, bevor man die Heilige Kommunion empfing, noch nichts anderes gegessen oder getrunken haben durfte. Meine Großeltern schenkten mir noch vor dem Kirchgang mein Gebetbuch. Mein Opa hatte zuvor alle 1007 Seiten vorsichtig auseinander gepuhlt, die vom Goldrand verklebt waren. Das Gebetbuch musste man zwischen einem Spitzentuch tragen. Oh je, der Goldrand bekam gleich am Kommuniontag die ersten Flecken, denn es goss in Strömen. Damals hatten noch nicht viele Familien ein Auto, und so mussten die meisten von uns zu Fuß durch den Regen zur Kirche gehen.

In einer Prozession zogen wir mit unsern brennenden Kerzen von sogenannten „Führengelchen“  geleitet, in die Kirche ein. „Führengelchen“ waren einige Mädchen, die im Jahr zuvor zur 1. Hl. Kommunion gegangen waren. Unsere Kerzen kamen auf ein treppenförmig ansteigendes Gestell rechts und links neben dem Hochaltar. Übrigens durften wir die später nicht mit nach Hause nehmen. Sie wurden als Altarkerzen in der Kirche weiter verwendet. Ja, und dann lief die Messe ab. Der Kirchenchor sang, und wir sangen ganz normale Lieder aus dem Gebetbuch. An der Gottesdienstgestaltung waren wir Kinder nicht mitbeteiligt, ganz anders, als es heute ist. Und dann war er da, der Augenblick der 1. Hl. Kommunion. Die „Führengelchen“ geleiteten uns zur Kommunionbank. Pastor König legte uns die weiße Hostie auf die Zunge. Die Hostien waren damals ganz dünn, überhaupt nicht brotähnlich, eher wie Esspapier oder die Oblaten, die ihr vom Backen der Makrönchen in der Adventszeit kennt.  Diese dünnen Hostien hatten die unangenehme Eigenschaft, am Gaumen oder an den Zähnen festzukleben, bevor man überhaupt eine Chance hatte, sie herunter zu schlucken. Das brachte uns Kinder oft in arge Bedrängnis, denn wir durften ja nicht mit der Zunge daran herum puhlen. Ich erklärte mir dieses Verbot so, dass wir dabei vielleicht Jesus, der ja in der Hostie auf unsichtbare Weise drin war, weh tun könnten.

Nach der Messe führten uns die „Führengelchen“ zur Schule, und hier nahmen uns unsere Eltern in Empfang.

Daheim wurde dann erst einmal gefrühstückt. Danach durfte ich die Geschenke auspacken. Die waren ganz anders, als die, die ihr heute bekommt. Über einige Dinge habe ich mich echt gefreut, z.B. meine erste Armbanduhr, die man damals meist von einem der Paten geschenkt bekam. Andere Mädchen bekamen ein goldenes Kettchen mit Kreuzanhänger. Ich glaube, nicht nur ich sondern jedes Kommunionkind bekam auch einen Rosenkranz geschenkt. Oft gab es auch für die Schule einen Füller mit Goldfeder, das fanden wir natürlich toll. Da ich gerne las, freute ich mich über einige Bücher. Ziemlich doof  fand ich aber die Sammeltassen. Manche hatten sogar einen Aufdruck: Zu meiner 1. Hl. Kommunion. Wenn ihr mal zum Flohmarkt geht, könnt ihr solche Tassen vielleicht entdecken. Ja, und dann klingelten mehrmals die Blumenhändler oder Nachbarn und Bekannte kamen und gaben Hortensien oder Pantoffelblümchen ab. Das waren dann eher Geschenke für meine Mutter, aber damals war das eben so. Und es gab noch Pralinen. Die „Katzenzungen“ durfte ich behalten, über die Weinbandbohnen freuten sich dann die Erwachsenen. Und natürlich war jetzt auch die Zeit, um die Glückwunschkarten zu lesen. Dass sich darin, wie das heute schon mal der Fall ist, ein Geldschein versteckt hatte, kam damals nicht vor.

Mittags gab's als Festtagsessen Rindfleischsuppe, Rinder- und Schweinebraten mit Kartoffeln und „Leipziger Allerlei“, das waren Erbsen und Möhrchen und ganz wenig Spargel, und zum Nachtisch Pudding.

Während nach dem Essen die Nachbarn und die Omas spülten, sauste ich mit den Eltern wieder zur Kirche. Die Dankandacht war angesagt, und ich glaube, hier wurden dann auch unsere Rosenkränze und Kreuzkettchen gesegnet. Als wir aus der Andacht nach Hause kamen, war schon wieder der Tisch für den Nachmittagskaffee gedeckt. Nach dem Kaffee machte sich meine Kölner Verwandtschaft auf den Heimweg, denn sie hatte noch einen komplizierten und langen Weg mit diversen Straßenbahnen vor sich. Wie und wann der Tag für mich zu Ende gegangen ist, weiß ich nicht mehr.

Ähnlich wie bei euch gab's bei uns auch noch den „Kommunionmontag“. Natürlich gingen wir wieder zur Messe, aber diesmal nicht mehr in unsern weißen Kleidern sondern in einem sogenannten Zweittagskleid. Meines war blau mit einem mit Blumen bestickten Saum. Die Gestaltung dieses Tages war unterschiedlich. Entweder wurde sich bei den fleißigen und hilfsbereiten Nachbarn mit einer Einladung zum Kaffee bedankt. Oder man zog für einen  Termin beim Fotografen doch noch einmal das Kommunionkleid an. Ich fuhr mit Oma und Opa nach schöner kölscher Tradition in den  Kölner Zoo und begegnete dort vielen Kölner Kommunionkindern, die alle fein gemacht mit ihren Anzügen oder Zweittagskleidern an diesem Tag nur zum Gucken da waren und keinesfalls zum Klettern auf der alten Dampflock.

 

Ja, und jetzt habe ich genug erzählt und bin ganz gespannt darauf, woran sich die anderen Goldkommunikanten  noch erinnern und wovon sie gleich bei unserm Treffen im Pfarrsaal erzählen werden.